Was wir draus machen

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20 Jahre liegen hinter uns. Clubs wurden eröffnet und geschlossen, Festivals etabliert und davon gejagt. Die D-Mark wurde gegen den Euro getauscht, die Industrie erst verhökert und dann neu erfunden. Häuser und Kinos sind verschwunden, andere entstanden. Die medizinische Betreuung  wurde teurer, der Strom auch und das Parken erst recht. Die Liste könnte endlos werden, aber wozu? Die Frage ist doch: Was liegt vor uns?

Wir haben uns deshalb bei echten und unechten Experten schlau gemacht, was sich in den nächsten 20 Jahren ändern muss.


Uni

Der designierte Rektor der TU Chemnitz, Prof. Dr. Arnold van Zyl, hat überlegt, was sich an den Universitäten ändern muss

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Auf die Frage, was sich in den nächsten 20 Jahren an Universitäten entwickeln muss, möchte ich mit den Worten des Theologen Eberhard Jüngel antworten, der sagte, dass wir die Welt als Möglichkeit statt als Wirklichkeit begreifen müssen. Wissen schafft Wandel – heute und in der Zukunft. Die TU Chemnitz wird künftig immer stärker charakterisiert sein durch Exzellenz und Relevanz sowie durch interdisziplinär arbeitende Menschen und eine Vielfalt an Ideen – und das in Lehre und Forschung. Chemnitzer Studierende werden in 20 Jahren weitaus stärker als bisher elektronische Lernsysteme und -technologien nutzen und dabei mit anderen – egal, wo auf der Welt – interagieren. Und Forschungsschwerpunkte werden sich an regionalen, nationalen und globalen Herausforderungen orientieren müssen. Mit unserem heutigen Wissen bauen wir eine Brücke von der Gegenwart in die Zukunft und ich wäre froh, wenn uns auf diesem Weg viele junge Menschen aus nah und fern sowie zahlreiche innovative  Kooperationspartner in Wirtschaft, Wissenschaft und in anderen Bereichen der Gesellschaft begleiten. Nutzen wir die Möglichkeiten, unsere Welt gemeinsam zu gestalten.


Geld

Kabarettistin Kerstin Heine hat einen Ausblick gewagt, was sich in Sachen Geld ändern muss

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.32.18„Tausche Zahnsteinentfernung gegen Chemotherapie“ wird in Aushängen der örtlichen Privatkrankenhäuser zu lesen sein. Wer es sich leisten kann, besticht den Chefarzt mit einer Fuhre Hummer oder ein wenig Edelkaviar, denn Geld wird schließlich kaum noch benutzt – es ist ja nichts mehr wert. Die Radioaktivität aus den absolut dichten Endlagern in Bonn, Hiddensee und Castrop-Rauxel hat alle Geldreserven verstrahlt und der Klimawandel lässt die Winter so eiskalt werden, dass man im November mit den frostigen Griffeln keine Münzen mehr greifen kann.
Nebenbei erhöht die EZB aus alter Gewohnheit den Leitzins auf alle Naturalien, die Deutsche Bank benennt sich um in Deutsche Bäckerei – und Bundespräsident zu Guttenberg mahnt mehr Ehrgefühl beim Brotklau an.


Köpfe

Buchautor Hans Brinkmann weiß natürlich, was sich in den Köpfen ändern muss

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.32.30Christoph Daum hat gesagt: „Wenn der Kopf richtig funktioniert, dann ist er das dritte Bein.“ In einer Stadt – bald nicht nur mit Köpfchen, sondern auch mit Stadiönchen – wird man das schon mal zitieren dürfen. Ich kenne die meisten Chemnitzer Köpfe freilich weder von außen, noch von innen und mag mir nicht verkneifen zu bemerken, dass ich sehr oft lieber nicht wissen möchte, was in denen vor sich geht, bin also etwas überfragt, vermute aber, der Vorschlag des Fußballers wird bei einigen auf Hohn, bei anderen auf Zustimmung stoßen: Besser der Kopf sei ein drittes Bein, als dass er als Fußball dient … Will ich mich dem anschließen? Oder lieber nicht? Mit Vorbehalt vielleicht? – Veränderung beginnt nur selten im Kopf. Meistens beginnt sie über die Köpfe hinweg. Gerade über die nachdenklichen. Das muss man erst mal reinkriegen. Sonst kriegt man’s nie aus den Verhältnissen raus. Chemnitz ist langweilig. Das reizt dazu, über’s Provinzielle hinauszudenken. Mehr Chance ist hier nicht.


Wirtschaft

Autor und Rationalisierer Holger Regber schreibt die Chemnitzer Wirtschaft der Zukunft

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.32.37Meine liebe Chemnitzer Wirtschaft im Jahre 2031!
Toll, wie Du Dich entwickelt hast! Dabei hatten Dich viele vor vierzig Jahren schon abgeschrieben. Und zwanzig Jahren später forderten gar einige Dein Verbot. Doch wer das versucht, zwingt Dich lediglich ins enge Kostüm der Zentralwirtschaft und als Sonntagskleidung verbleiben Dir der graue Schattenwirtschaftsmantel und die traurige Tauschwirtschaftsbluse. Das bunte Kleid der ethischen Marktwirtschaft steht Dir dagegen wesentlich besser. Regionale Stärke gegen globale Turbulenz: Du hast es verstanden! Grün leuchtet Dein Naturverständnis und gelb Dein Fleiß. Rot funkelt Deine Kreativität und blau Deine Dynamik. Schön auch, dass sich die Farben im Stoff vermischen. Das macht Dich unverwechselbar und attraktiv. Freier aus der ganzen Welt buhlen um Dein Geheimnis. Dabei ist dieses so simpel. Denn ethische Marktwirtschaft besinnt sich auf Werte. Reale, wie moralische. Weshalb eine Schweinebauchhälfte nicht zum Spekulationsobjekt mutiert, aber regionale Werte eine globale Wertschätzung formen.


Kultur

Autor und Lateiner Burkhard Müller wünscht sich so einiges, das sich in Sachen Kultur ändern könnte

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.37.55Was sich in den nächsten Jahren in der Chemnitzer Kultur verändern muss – vielleicht sollte man es nicht so herrschsüchtig formulieren. Vielleicht genügt es auch, wenn man sich etwas wünscht. Also, ich würde mir wünschen:
Dass das Luxor-Kino wieder seine Pforten öffnet, denn ein einziges Kino im Zentrum, das ist ein bisschen wenig.
Dass die Stadt sich etwas einfallen lässt, um das Gunzenhauser-Museum, diese einzige wirkliche überregionale Perle, die wir haben, bequem fußläufig an die Innenstadt anzubinden, am besten unter Einbeziehung der Grünanlage am Kappelbach – die gegenwärtige Situation mit sechs Fußgänger-Ampeln wirkt extrem abschreckend!
Dass Einheimische und Auswärtige endlich den Wert der Sammlung gotischer Plastik erkennen mögen, die seit zwei Jahren im Schlossberg-Museum existiert und  die immer noch ein Dasein im Dornröschenschlummer führt.
Dass die nun schon so lang dauernden Bauarbeiten am neuen Archäologischen Landesmuseum im Mendelssohn-Kaufhaus zügig ihren Abschluss erreichen.
Und obwohl es genaugenommen nicht zur Kultur gehört, sondern bloß zu ihrem allgemeinen Rahmen: Dass man die Chemnitz noch an anderen Stellen als dem Falkeplatz ausgraben oder sonstwie aufwerten möge; denn ein Fluss ist für eine Stadt immer ein Geschenk.


Gesundheit

Der Medizinische Geschäftsführer der Klinikum Chemnitz gGmbH,  Prof. Dr. med. habil. Jürgen Klingelhöfer,  erklärt, was sich in Sachen Gesundheit ändern muss

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.38.02Frühzeitige Primärprävention und Gesundheitsförderung bei Kindern gewinnt zunehmend an Bedeutung, wenn es darum geht, einer sich ausbreitenden „Super Size me – Generation“ entgegenwirken zu wollen. Hierbei bietet sich vor allem in Schulen die Möglichkeit, Unterrichtseinheiten mit dem Fokus auf gesunde Ernährung zu etablieren und damit das Wissen und Bewusstsein für den eigenen Körper entscheidend zu vertiefen. Denn nicht erst seit Food Matters wissen wir „You are what you eat!“.
Neben ernährungsrelevanten Aspekten gilt es natürlich auch, den sportlichen Ehrgeiz zu wecken und zur täglichen Bewegung zu animieren. Da sich die Begeisterung für Leichtathletik und Geräteturnen nicht bei Jedermann entwickeln lässt, wäre eine Erweiterung des bisherigen Spektrums um Freizeitsportarten wie z. B. Inlineskaten, Snowboarden, Skateboarden, Squash oder Badminton wünschenswert. So ließen sich die Motivation und der Spaß am Sportunterricht erheblich steigern.
Dass Rauchen nicht nur gesundheitsschädigend, sondern auch out ist und der Hang zum Alkohol nicht gerade beeindruckt, ist mittlerweile in der Wahrnehmung vieler angekommen. Dennoch ist auch hier eine verstärkte Aufklärung nötig, um die Wirkung und langfristigen Folgen dieser Suchtmittel und Einstiegsdrogen nicht zu unterschätzen.


Industrie

Der Geschäftsführende Gesellschafter der Firma NILES-SIMMONS-HEGENSCHEIDT GmbH, Prof. Dr. Hans J. Naumann, erklärt, wie sich die Industrie verändern muss

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.38.12In der Vergangenheit hat sich die Industrie und insbesondere der Werkzeugmaschinenbau erheblich verändert. Es wurden beispielsweise Maschinen entwickelt für die Bearbeitung von Teilen aus der Flugzeugindustrie mit höchster Genauigkeit. Sie sind in der Lage, die eigene Qualität der bearbeiteten Teile zu überprüfen, bevor die Teile aus der Bearbeitungsmaschine automatisch über einen Manipulator entnommen werden.
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Mensch eliminiert wird, sondern vielmehr, dass seine Arbeitstätigkeit auf eine höhere Ebene verlagert wird. Was auf dem Gebiet der Werkzeugmaschinen erfolgt, wird auch in der Industrie mit vollautomatischen Produktionslinien der Fall sein. Die Planung, Erstellung, Beaufsichtigung und letztlich die Überprüfung der Funktionsfähigkeit und Genauigkeit der Produktion ist durch automatische Prozesse gesteuert. Letztlich obliegt die Produktionssteuerung hochqualifizierten Fachleuten, die eine noch intensivere Ausbildung und Spezialisierung auf ihren Fachgebieten benötigen.
Um diesen Trend zu verwirklichen, wird es notwendig sein, dass insbesondere die Werkzeugmaschinenindustrie immer stärker eine Verbindung mit den Wissenschaften eingeht, um ihre Produkte, die maßgeblich die industrielle Tätigkeit beeinflussen, auf ein Niveau zu bringen, was insbesondere der deutschen Industrie die Führungsposition in der Welt erhält.


Mode

Dirk Eidner, Betreiber des Chemnitzer Mode-Blogs Stylesnap, macht klare Ansagen für die Mode der  Zukunft

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.38.18Gibt es so was wie die Retired-Fashion-Week? Und habt ihr euch eigentlich mal gefragt, wer Seniorenmode entwirft? Müssten das nicht eigentlich auch Rentner sein? Ich stell mir da einen von altmodischen Leuchtröhren erhellten Raum im DDR-Stil vor, in dem eine Omi vor einem Zeichenblock und einem Schild mit der Aufschrift „Hauptsache unauffällig!“ bedächtig an Skizzen mit den Basisfarben Beige, Grau und Braun werkelt. Hm. Bei der Frage, was in Chemnitz modetechnisch in den nächsten Jahren passieren sollte, lasse ich unsere Altbürger besser außen vor. Zumindest fast. Aus dem letzten rebellischen Hauch meiner Jugend ziehe ich für mich und meine Generation den Schluss, dass es wohl das Beste wäre, das Gegenteil dessen anzusteuern, was mich rein modetechnisch an Karl-Sarg-Stadt nervt. Solange wir also nicht das Pensionsalter erreicht haben, sollten wir uns mit aller Kraft und wider aller ausgestreckter Zeigefinger gegen die Unterdrückung durch die aufstrebende Rentner-Mode-Industrie wehren, bevor uns diese endgültig den Titel „Sächsisches Florida“ verleiht.


Nachtleben

Clubbetreiber Jan Kummer hat keine Ahnung, was sich im Nachtleben ändern muss

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.38.37Zukunftsprognosen sind zu allen Zeiten beliebt. Mitte der 1920er Jahre waren sich alle Experten einig, dass sich Chemnitz auf dem besten Wege hin zu einer Millionenstadt befindet. Irgendwie ist alles anders gekommen. Es gab einen großen Krieg und die Stadt war ein Trümmerhaufen, Chemnitz verwandelte sich plötzlich in eine Karl-Marx-Stadt und für die Zukunft war der Vorsitzende der staatlichen Planungskommission der DDR, Gerhard Schürer, zuständig. Was dieser große Mann aber auch nicht wusste, 1989 änderte sich hierzulande ein komplettes Gesellschaftssystem, Karl-Marx-Stadt wurde wieder Chemnitz und wieder wurde tapfer versucht, die Zukunft zu planen. Es existiert zum Beispiel für unsere Kommune ein Kulturentwicklungsplan 2004-2012, der hat neben raffinierten Visionen wie „Stadt als Ort für Ideen“ und „Innenstadt soll Mittelpunkt der Stadt werden“ auch handfestes zu bieten. Das heimische HipHop-Festival Splash und die „Vorbereitung und Austragung des internationalen Jugendlagers in Chemnitz als Bestandteil der Olympischen Sommerspiele 2012“ sollen kräftig unterstützt werden. Wer prophezeite vor 20 Jahren, dass sich die heutige Jugend via Gesichtsbuch für ihre Partys verabredet, keine Wehrpflicht existiert, in der Gastronomie ein Rauchverbot herrscht und die Loveparade im Ruhrgebiet versackt ist? Prognosen werden dennoch wacker weiter erstellt. Der Zukunftsforscher Ray Kurzweil hat z.B. öffentlich gewettet, dass bis zum Jahr 2029 Mensch und Computer untrennbar verschmelzen. Ich allerdings habe keine Ahnung, was sich in den nächsten Jahren im Nachtleben ändern muss – und das ist auch gut so!


Parteien

Jugend- und Kulturnetzwerker Jan Koch sagt, was Politik und Parteien künftig bringen müssen

Bildschirmfoto 2016-06-29 um 11.38.47Angeblich soll es in einem jeden Menschenleben mindestens zwei große politische Zäsuren geben!
Die etablierten Parteien werden sich also fragen müssen, Aufstieg und Fall zeigten sich ja gerade in dieser Legislaturperiode. Gäbe es denn eine Alternative zu Parteien? Mindestens auf kommunaler Ebene, dank bürgerschaftlichen Engagements, pragmatischer Wählervereinigungen, und dennoch muss es ja möglich bleiben, sich mit gleichen oder ähnlichen Vorstellungen von Politik eben in Parteien zusammenzufinden.
Die NPD muss weg! Die Demokratie bezahlt und legitimiert ihre eigenen Totengräber, überlässt ihnen die Straße und politische Bühnen für deren widerliches Schauspiel. Was soll das? Die Auseinandersetzung mit rechtspopulistischem Gedankengut hingegen wird bleiben müssen, denn es verschwindet nicht mit dem Verbot von Strukturen und kommt alltäglich mitten aus der Mitte.
Deutschland braucht mehr Respekt, Chemnitz nicht ausgenommen! Mehr Respekt vor Bürgerbeteiligung, kommunaler Selbstbestimmung und gelebter Demokratie, beinahe schon den Mut zur Rückkehr zur Demokratie. Und es braucht grundlegende soziale, ökologische und wirtschaftliche Veränderungen jenseits des Wachstumswahns, allein wenn man begreift, dass der innere und äußere Frieden nicht selbstverständlich sind.
Die Spaltung dieser Gesellschaft muss aufhören, nicht erst in zwanzig Jahren! Weg also mit Hartz IV, ein Bürgergeld oder Grundgehalt muss Eigenverantwortung, Interaktion und Engagement fördern und vor allem die dauerhafte Etablierung einer ausgegrenzten Parallelgesellschaft abschaffen. Je eher, desto besser! Weg auch mit dem gewollt selektiven Charakter des Bildungswesens, verzettelt in deutscher Kleinstaaterei, anstatt Chancengleichheit und mehr Zeit für Kinder und Jugendliche!