Fußball rudert – Wer sieht Land beim CFC?

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Ernesto Uhlmann

Inzwischen ist die Geschichte um den CFC leidlich. Mit dem Stadionbau sollte eigentlich Glanz und Gloria in den Chemnitzer Fußball einziehen.

TEXT: Jenny Zichner | FOTOS: Ernesto Uhlmann

Volle Tribünen, Fernsehpräsenz in der Zweiten Liga, Attraktivität für Sponsoren – viele Träume waren im Raum. Aber offenbar zu wenig Konzept. Und das wird jetzt zum Problem. Für den Club, für die Stadt, für die Sponsoren, für die Fans. Aber statt endlich reinen Tisch zu machen, eine ehrliche Fehleranalyse zuzulassen und die richtigen Schlüsse zu ziehen, bleiben viele unbequeme Wahrheiten unter Verschluss. Zumindest ist die offizielle Version der Vorgänge nicht immer plausibel und jeder Insider sagt auf Nachfrage das Gleiche: „Aber von mir hast du’s nicht.“

„Vorwärts, immer weiter…“

Grundsätzlich nützt es jetzt vielleicht auch nichts mehr, Schuldfragen zu klären, Versäumnisse zu adressieren. Andererseits wäre es fatal, den CFC-Vorstand nicht an der einen oder anderen Stelle von Vorwürfen der kompletten Unfähigkeit zu entlasten. Unbestritten sind dem Club weder eine solide Betriebsführung noch professionelle Strukturen nachzusagen. Aber hatte der Verein überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt seit dem Aufstieg in die Dritte Liga eine realistische Chance, wirtschaftlich gut dazustehen?

Die Chemnitzer sind schließlich nicht der einzige Club in der Spielklasse mit finanziellen Problemen. Trotzdem macht etwa der FC Magdeburg vor, dass die sogenannte „Pleite-Liga“ nicht zwingend zur finanziellen Krise führt. Nun kommen allerdings die Auflagen des DFB für ein Drittliga-Stadion hinzu. Magdeburg, um beim Beispiel zu bleiben, hatte beim Aufstieg in die Dritte Liga bereits ein taugliches Stadion. Chemnitz nicht. Und so wurde geplant. Die Stadt fand eine gängige Lösung, wie so ein Projekt zu finanzieren wäre, investierte letztlich 27 Millionen Euro für die Spielstätte – und übergab sieben Monate später als geplant.

Pressekonferenz beim CFC: v.l.n.r.: Mathias Hänel, Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig, Nicole Oeser, Marc Endres, Sven Köhler, Stephan Beutel
v.l.n.r.: Mathias Hänel, Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig, Nicole Oeser, Marc Endres, Sven Köhler, Stephan Beutel

Dass der Bauverzug zu enormen Mehraufwendungen und Einnahmeverlusten beim CFC führen würde, musste jedem klar sein, der denken kann. Auch wenn die finanzielle Schieflage bei weitem nicht nur darauf beruht. Trotzdem: Sieben Monate später fertig als gedacht. Da werden Eröffnungsspiele zu Jubiläumsspielen, Sponsoren fordern Regress für nicht eingehaltene Verträge, die Spiele auf der Baustelle sind zudem sicherheitstechnisch teurer und das Vip-Zelt für die Geldgeber steht auch nicht mietfrei. Da braucht es keinen Experten, um das Desaster ausmachen zu können.
Nichtsdestotrotz zeigte sich die Oberbürgermeisterin im Oktober überrascht, als sie von den finanziellen Nöten des Vereins hörte. Eröffnungsfeier, Pressekonferenzen, neuer Stadionname – es gab unzählige Termine über den Sommer, zu denen sich Stadt- und Vereinsspitze die Hände schüttelten und nie soll das Thema zur Sprache gekommen sein?

Und wenn? Dann hat es Barbara Ludwig eben schon länger gewusst, aber was geht sie das Elend des Clubs an, solange der sich nicht selbst offiziell eingesteht, dass er sowohl ein Eigenkapital-Problem als auch ein Liquiditätsproblem hat. Das übernahm dann Dr. Dirk Kall, der im Juli 2016 als Kaufmännischer Geschäftsführer zum CFC kam. Er habe die Misere aber nicht nur öffentlich gemacht, sondern zusammen mit dem Vorstand auch eine Lösung vorgelegt, wie gleich mehrere Insider erzählen. Demnach haben Offerten zu alternativen Finanzierungsmöglichkeiten auf dem Tisch gelegen. Der Verein wollte die Rettung also durchaus selbst stemmen. Dazu hätte der CFC aber eine Bürgschaft gebraucht. Und die sollte die Stadt geben, über 1,26 Millionen Euro – eben jene Summe, die dem Club aus der Ablöse des Erbbaurechts noch zustand, die aber laut Vereinbarung erst in späteren Jahren sukzessive gezahlt werden sollte. Doch genau das habe die Oberbürgermeisterin abgelehnt und letztlich die bekannte Variante eingefädelt: Die Stadt zahlt sofort und die eins energie in sachsen GmbH gibt ein Darlehn über 1,5 Millionen Euro. Dazu übernimmt der Energiedienstleister gleich noch Betriebsführung und Controlling.
Klar, dass Dirk Kall dann den Verein „auf eigenen Wunsch“ verlassen wollte. Er war Kaufmännischer Geschäftsführer und sollte sich fortan jede Ausgabe über 1000 Euro genehmigen lassen. Das ist objektiv keine Option für einen erfahrenen Betriebswirt, zumal vorstellbar ist, dass sich für so manche Ausgaben im Fußball keine plausible Erklärung finden lässt, die Branchenfremde verstehen.


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Dieser Artikel erschien zuerst im STADTSTREICHER 04_2017.

Warum verdienen einige Fußballspieler schon in der Dritten Liga mehr als Ingenieure? Weil das so ist. Da kann auch der Chemnitzer FC nichts dran ändern – außer: Statt nur mit Geld auch mal mit echter sportlicher Perspektive zu winken. Aber genau an diesem Punkt muss sich die Vereinsführung vielleicht die größten Vorwürfe gefallen lassen. Kenner der Szene beschreiben eine große Diskrepanz zwischen der großen Lust des Vereins auf die Zweite Liga und der sportlichen Realität. Nicht, dass der Kader zu schwach wäre, aber der längst verblichene Ruhm des FC Karl-Marx-Stadt dominiere eben nicht nur die Fangesänge.

So wird es womöglich noch dauern mit der Zweiten Liga – und eng werden mit der Lizenz für die kommende Saison. Zwar sind die Unterlagen abgegeben, aber erfahrungsgemäß haben es die Nachfragen des DFB in sich. Und viel lässt sich momentan nicht auf den Tisch legen, um einen soliden Verein darzustellen. Außer ein unabhängiges Sanierungsgutachten mit positiver Prognose und die Zahlungen von Stadt und eins.

Das Stadion des CFC im Sommer 2016.

Zumindest aber ist noch Hoffnung. Auch wenn oder gerade weil im Moment alle Emotionen aus dem Spiel sind. Mit Herbert Marquard ist der Kaufmännische Geschäftsführer der eins energie in sachsen aktuell oberster Finanzhüter des CFC und deshalb neues Vorstandsmitglied. Gerissen habe er sich nicht um den Job, betont er gern. Genauso oft fordert er auch Budgettreue. Allein der Spieleretat werde in der aktuellen Saison um 400.000 Euro überzogen, erklärt er mehrfach. Doch, so schlüsselt Nicole Oeser, die Pressesprecherin des CFC auf Anfrage auf: „Die genannte Summe beinhaltet auch eine Prämien-Prognose, die sich auf eine Hochrechnung der zu erreichenden Punkte zum Saisonende bezieht. Daher handelt es sich um eine geschätzte Summe.“ Soll heißen, so wie es momentan läuft, stehen längst keine 400.000 Euro minus mehr im Raum. (Vielleicht ließen sich aber trotzdem mal noch zwei Spiele gewinnen, um wenigstens nicht noch gegen den Abstieg kämpfen zu müssen.)

Doch egal, wie die aktuelle Saison ausgeht. Für die nächste, so Marquard, habe der Geschäftsführer Sport, Stephan Beutel, bereits einen Plan vorgelegt, wie das Profiteam des CFC mit weniger Etat auskommen könnte. Was er nicht dazu sagt: Wie viel weniger und welchen Qualitätsverlust das mit sich bringt. Im Moment, so bestätigt die Pressesprecherin des CFC, liege der Spieleretat im Ligavergleich im oberen Drittel. Es wäre also noch Luft nach unten. Aber intensiv an der Qualität zu sparen, um ein Unternehmen wieder fit zu machen, hat andererseit auch noch nie geklappt. Vielleicht soll es so auch nicht verstanden werden, aber für ein Interview mit dem Stadtstreicher hatte Herbert Marquard keine Zeit. Während der Pressekonferenz des CFC zur Vorstellung des neuen Vorstandes am 2. März sei alles gesagt worden, ließ er mitteilen.
Und tatsächlich wurde dort viel geredet: Zum Beispiel auch über die Berufung von Stefan Bohne in den Vorstand und die Vergabe eines Beraterauftrages an dessen Firma Logsol GmbH. Normalerweise optimiert das Pirnaer Unternehmen ja Logistikprozesse. Beim CFC wird es jetzt professionelle Strukturen aufbauen, eine funktionierende Organisation und eine funktionierende Geschäftsstelle. Eine Mammutaufgabe sei das, sagt Stefan Bohne. Aber er kennt sich wenigstens aus im Fußball – speziell im Fußball von Dynamo Dresden. Dort war er von Januar 2009 bis Juni 2010 Hauptgeschäftsführer und bekennt sich noch immer uneingeschränkt zu diesem Club. Das deutet zumindest schon mal auf Leidensfähigkeit hin, denn Dynamo spielte ihm damals übel mit, so dass er seinen Rücktritt erklärte, noch ehe ihn der Aufsichtsrat entließ. Offenbar war sein Konsolidierungskurs zu strikt geraten. DIE ZEIT nannte ihn dafür immerhin „einen der Angenehmen bei Dynamo“.

Übersicht der Vereinsstruktur beim CFC.

Trotzdem hat eine solche Personalie natürlich ein Geschmäckle. Aber das ist Fanlogik, das kann ein Zahlenmensch wie Herbert Marquard womöglich gar nicht nachvollziehen. Sein Job heißt nur „Rettung“ und dafür brauchte er einen Sachverständigen, dem er vertraut. Das ist nachvollziehbar. Deshalb halt Stefan Bohne, und die Logsol GmbH, weil er den 43-Jährigen schon lange kennt.

Natürlich klang auch die Alternative spannend. Helmut Sandrock hatte sich zugleich als Geschäftsführer beworben. Der ehemalige Generalsekretär des DFB war schon Vorstandsvorsitzender des MSV Duisburg und Geschäftsführer bei Red Bull Salzburg – mehr Expertise geht bald nicht. Aber offenbar glaubten weder die Oberbürgermeisterin bei ihrer Entscheidung, noch Herbert Marquard bei seiner, dass sich der CFC von innen heraus neu und vor allem professionell aufstellen könnte. Außerdem, so der neue Finanzvorstand, sei die Logsol GmbH beim Honorar „hochgradig entgegen gekommen“. Sie würde also geringere Kosten verursachen als ein hauptamtlicher Geschäftsführer. Insofern rechne sich das auch noch. Obwohl das Konstrukt jetzt nicht optimal der Vereinssatzung entspricht, die vorsieht: „Mindestens ein Mitglied des Vorstandes soll hauptamtlich tätig sein.“
Die Grundfrage bei der Rettung des Vereins ist ja aber auch nicht die personelle, sondern immer noch die finanzielle. Also: Wie lassen sich genug Sponsoren finden und an den Club binden? Verantwortlich für diese Frage ist eigentlich die Infront Sports & Media AG, ein international agierendes Sportmarketing-Unternehmen – das in Chemnitz die Geister scheidet.

Als Mathias Hänel im Oktober 2006 den Vorstandsvorsitz beim CFC übernahm, spielte der Club in der Oberliga und Sponsoren betreute der langjährige Mitarbeiter Sven-Uwe Kühn. Mit dem Aufstieg in die Regionalliga wuchsen dann auch wieder die Ambitionen für mehr. Deshalb rang der Verein damals schon um Professionalisierung. So sollte ein Vertrag mit The Sportsman München einen Zuwachs an Sponsorengeld bringen. Die Agentur sah sich aber bald überfordert und veräußerte die Lizenz an die Infront. Seither sind zwar auch Verträge mit überregionalen Sponsoren neu hinzugekommen, die Betreuung vor Ort aber war immer schon Streitpunkt, genauso wie die Höhe der Provision. Da reichen die Vorwürfe von arrogant bis kommunikationsarm. Es soll deshalb sogar eine nennenswerte Zahl an Kündigungen von Sponsoren-Verträgen geben, so Insider.
Aber mehr als das verwundert die Verstrickung mit dem Geschäft der vereinseigenen CFC Marketing und Stadionbetrieb GmbH. So beinhalten Sponsorenverträge bereits  Mietkosten für geplante oder nicht geplante Nutzungen der Multifunktionsräume im Stadion. Das heißt, das Betreiberkonzept beruht auf seltsamen Zwängen. Anders würde es wohl auch nicht funktionieren, denn woher sollte der Verein als Pächter auch das Know-how haben, um dieses Stadion mit seinen räumlichen Möglichkeiten zu vermarkten? Genau genommen ist die Arena ja nur an 19 Heimspieltagen im Jahr fest vermietet, vielleicht kommen Pokal- oder Freundschaftsspiele hinzu. Die restliche Zeit müsste mit Tagungen, Messen, Empfängen, Feiern belegt werden. Eine Aufgabe, die aktuell bei einer GmbH liegt, die zwei Mitarbeiter zählt…. Und auch wenn das erste Jahr ganz gut aussieht mit Immatrikulationsfeier, Jobmesse, Firmenveranstaltungen und mehr, so ist ein langfristiges und vor allem fundiertes Konzept nach der Neugier-Phase nicht auf dem Tisch. Die GGG hat aber erstmal die Geschäftsbesorgung für die Betreibergesellschaft übernommen.
Soll heißen – eigentlich läuft nichts optimal. Aber nochmal: Hatte der Verein je die Chance, die finanziellen Herausforderungen zu stemmen, die mit dem Stadionbau und der Dritten Liga verbunden sind? Mal abgesehen davon, dass nicht jedes Invest in Spieler oder Stadionausstattung als vernünftig gelten kann, weil in dem Geschäft eben zwangsläufig zu viele Emotionen mitschwingen und sicher in der aktuellen Saison auch risikofreudig die Hoffnung auf den Aufstieg beliehen wurde – bleibt Fußball unberechenbar. Im übrigen stellt sich die Frage auch schon deshalb nicht, weil Chemnitz nur diesen einen hochklassigen Club hat und seit noch nicht mal einem Jahr ein neues Stadion. Wer sollte da sagen: Der CFC hat keine Chance, im Profifußball zu überleben?

Die Spieler des Chemnitzer FC vor der CFC - Fankurve.

Vielleicht ist das ja auch tatsächlich irgendwann mal sehr erfolgreich möglich. Aber im Moment dominiert eher das Gefühl, dass Schön- und Drumrumreden noch immer Devise ist. Kleines Beispiel? Die Antwort der CFC-Pressesprecherin auf unsere Anfrage zum Vertrag mit der Logsol GmbH und zum zeitlichen Rahmen der Neustrukturierung: „Selbstverständlich arbeiten gerade alle handelnden Personen, seien es Mitarbeiter der Geschäftsstelle, der eins energie in sachsen, der GGG oder der Logsol GmbH, effizient und zielführend, was einen genauen Arbeits- und Zeitplan voraussetzt. Dabei gibt es gesetzte Meilensteine, die in zeitlichen Abständen eingehalten werden sollen, um die Sanierung und Neustrukturierung des Vereins voranzubringen. Gemeinsam werden gerade bestehende Strukturen und Arbeitsweisen auf den Prüfstand gestellt und gegebenenfalls optimiert oder neu strukturiert. Die eins energie in sachsen GmbH hat dabei einen Beratervertrag mit der Logsol GmbH abgeschlossen, in dem ein genauer Projektumfang mit einem entsprechenden Projektpreis definiert ist. Ziel ist es, bis 2018 das Projekt erfolgreich durchgeführt zu haben.“ ■

Erfahrene Journalisten würden sagen: Vorsicht vor gestelzten Antworten. Da liegt die Wahrheit zwischen den Zeilen.