Wie in unserer aktuellen Mai-Ausgabe angekündigt, gibt es hier die Fortsetzung der Familiengeschichte zu lesen– besser gesagt, derselbe Ausflug aus einer anderen Perspektive. Diesmal begleiten wir die Frau der vierköpfigen Rasselbande. Ein Samstagausflug – aus ihrer Sicht:
ICH hatte eine tolle Idee: Einen Samstag in Chemnitz wie im Urlaub verbringen. Unser Ziel soll der Stausee Oberrabenstein sein. Ich freu mich so darauf. Habe mir sogar ein neues Kleid und Sandalen gekauft!
Ausschlafen. Der Wecker klingelt nicht, wie herrlich. Aber was ist das für ein Geschrei! Die Kinder wieder! Jetzt brüllt Jakob noch. Ohne mich geht nichts. Ich stehe auf und wen sehe ich im Flur: Meinen Mann in diesem gruseligen Shirt mit Bayern-München-Aufschrift und einem Beutel voller Brötchen. Wozu war ich gestern bei unserem Lieblingsbäcker? Naja, er hat es wohl lieb gemeint. Ich frühstücke schnell, muss schließlich viel einpacken. Die Tasche mit dem Badezeug ist fertig, aber den Picknickkorb muss ich noch füllen. Soll eine Überraschung werden. Schnell noch den Kindern die frischen Sachen für heute hinlegen. „Ach Mama, das ist doch zu weit, das T-Shirt“, klagt meine Tochter. Weit??? Wo??? „Kann ich nicht das bauchfreie anziehen? Bitte?“, bettelt sie. Nichts da! 12 Jahre und bauchfrei. Jetzt drängelt mein Mann. 15 Minuten nur noch! Oh, Schreck, da muss ich mich beeilen. Ach ja, ich muss ihm dringend ein anderes Oberteil geben. Freundlich frage ich ihn, ob er das Shirt anlassen will. Er will wissen warum! Männer! Kein Geschmack! Aber er gehorcht.
In dem neuen Kleid – ein Schnäppchen! – und den schicken Sandaletten fühle ich mich wirklich gut. Noch ein Selfieschießen und schnell an meine Freundin Klara schicken: Die wird staunen. Jakob und Ronja haben mal wieder Handy-Krieg. Ich schalte meines auf lautlos und stecke es ganz unten in die Tasche, sonst muss ich es auch hierlassen. „Fertig“, rufe ich und stehe stolz vor meinem Mann, hoffend, er freut sich über den Korb voller Leckereien. Und findet mich schön. Aber er geht mich sofort an, wegen des Picknicks. Er ist so aggressiv. Ich könnte heulen. Pah, dann gibt es eben nichts Leckeres zu essen. Aber meine Badetasche leere ich nicht! Ich brauche meine Wechselsachen, meine Strandlaken und Handtücher.
Endlich sitzen wir im Bus. Ich schmiege mich zärtlich an Jakob. So ein herrlicher Frühsommertag! Ich fühle mich wie in unserem Urlaub auf Fuerteventura, wo wir auch immer mit dem Bus zum Sandstrand fuhren. Ich flüstere ihm ganz liebe Erinnerungen ins Ohr. Er schaut auch ganz verträumt. Und wie süß unser Kleiner den Busfahrer beobachtet. So ein knuffiger Kerl, mein Sohn. Naja, die Ronja schämt sich eine Runde. Mit den Eltern Busfahren ist gerade nicht so angesagt bei ihr. Aber sie wird es überleben. Im übernächsten Monat wird sie 13 Jahre alt und die Pubertät blüht. Wer weiß, was uns da noch alles erwartet. Endlich sind wir da. Ach wie romantisch, die kleine Burg. Dass Chemnitz so etwas hat, vergisst man leider manchmal. Ich verstehe zwar immer noch nicht, warum wir nicht zum Stausee durchfahren. Aber es geht ihm wohl um die Bewegung an der frischen Luft, meinem Mann, der fast jeden Weg mit dem Auto zurücklegt. Naja, das Stückchen schaffe ich schon. Oder doch nicht. Nach gefühlten Stunden merke ich, dass eines der vielen Riemchen an meinem rechten Fuß reibt. Die volle Tasche nervt jetzt auch. Aber nicht dass der denkt, ich frage ihn, ob er sie auch mal nimmt. Da habe ich meinen Stolz. Ja, genau! Als ich Jakob von meinem schmerzenden Fuß etwas andeute, verzieht er gleich säuerlich das Gesicht. Dann kommt noch der dämliche Spruch, vom Schönsein und Leiden. Ich beiße die Zähne zusammen und genieße die Umgebung. Als wir endlich am Einlass stehen, weiß ich, dass ich mit dem aufgescheuerten Fuß nicht ins Wasser gehe und in den Sandalen nicht Tischtennis spielen werde. Das ist schade, echt. Ich spiele so gern und gewinne sogar gegen meinen Mann, ha! Da wird er ja froh sein, wenn er nicht gegen mich antreten muss, kann er gegen Ronja und Till gewinnen. Soll er ruhig. Hoffentlich finden wir ein stilles Plätzchen, ich will an den Rand, weit weg vom Trubel. „Ist nicht dein ernst, oder? Gleich hier, mit Blick zum FKK rüber? Kommt nicht in Frage“, motze ich ihn an, als geradewegs in diese Richtung läuft. Ich marschiere in genau die entgegengesetzte Richtung und rufe die Kinder hinter mir her. Aber Till bleibt bei seinem Vater. Ronja bleibt einfach stehen. Stur suche ich mir einen Platz und breite mich aus, da kommen sie auch schon an. Tschja, ohne Mama geht es nicht. Als erstes durchsuche ich meine Tasche nach einem Pflaster und finde eins. Ich ziehe mein Kleid aus, denn ich habe meinen Lieblingsbikini untendrunter gezogen. Genüsslich creme ich mich mit der neuen Sonnenmilch ein. Wie die riecht! Herrlich! Als Ronja von der Toilette zurück ist, vertiefen wir uns in unsere Zeitschriften. Die Männer sind schon im Wasser. Kaum ist Till zurück, achte ich darauf, dass er nicht nach dem Vorbild seines Vaters die nasse Badehose anlässt. Der arme Kleine soll sich doch nichts verkühlen. Das ist so gefährlich. Klar, dass mein Mann schon wieder Hunger bekommt. Aber nicht, dass der denkt, ich lass mir so eine ekelige Wurst reinzwingen. Oder fettigen Kartoffelsalat. Ich suche mir etwas Gesundes. Werden die hier wohl haben. Haben sie! Dann lasse ich es mir gut gehen. Sonnen, lesen, dösen. Auf der Rückfahrt sind alle müde. Es war schön. Aber die Kanaren sind noch ein bisschen schöner.